Auf der Suche nach einer ausdrucksstarken Performance zur Eröffnung unser ersten Ausstellung und mehreren gescheiterten Versuchen, eine Choreographie zu kreieren kamen wir auf Tango.
Tango als Ausdruck von Leidenschaft, Melancholie und Schmerz. Er hatte Stil und war nicht Mainstream. Darüber hinaus, so sollten wir später im Tanzkurs erfahren, ging es ums Führen und Folgen. Ein Element was uns vertraut war und was sich nun auch im miteinander Tanzen wiederfinden sollte.
Wir sahen uns etliche Videos auf Youtube an und träumten davon in der bekannten Tangoszene wie Antonio Banderas in „Take the Lead“ übers Parkett zu schweben.
Der Zahn wurde uns schnell gezogen. Unser Tanzlehrer lehrte Argentinischen Tango im klassischen Sinn. Dabei legte er großen Wert auf klare Führung und aufmerksames Folgen. Mit uns eine Schrittchoreographie einzustudieren lehnte er kategorisch ab. Da seien wir bei ihm an der falschen Adresse. Unserer Illusion beraubt, nach ein paar Tanzstunden den heißesten Tango aller Zeiten hinschmettern zu können aber willig und überzeugt, genau diesen Weg zu gehen, begannen wir mit kleinen Anfangsschritten. So lernten wir wieder eine neue Ebene des Führens und Folgens kennen, die uns beide öfters an die Grenzen brachte.
Wir lernten Schrittelemente und deren Variationen. Die Aneinanderreihung dieser blieb jedoch dem Führenden, geleitet von der Musik, überlassen. Das Folgen meinerseits glich einer Art Achtsamkeitsübung. Ich spiegelte, was mein Herr an Bewegung vorgab. Je klarer seine Körpersprache und –haltung, je eindeutiger seine Bewegungen umso leichter war es für mich, zu lesen was er wollte.
Genau da lag die Schwierigkeit. Der Tango zeigte gnadenlos auf, wo unsere Schwächen im Führen und auch Folgen lagen. Unsaubere Schritte und zweideutige Körperhaltung meines Herrn sowie mein eigener Kopf der immer wieder durchkam gepaart mit Frust und Langeweile, weil die Qualität unseres Tanzes von seiner Führung abhing. Die Enttäuschung war nach mehreren Tanzstunden auf beiden Seiten groß. Das emotionale Erlebnis blieb aus. Die Dramatik lag nicht in der Leidenschaft des Tanzes sondern in unserer verbalen Auseinandersetzung über Führungs- und Folgequalitäten.
So stellte sich die Frage: Weitermachen oder Aufhören?
Nein, Aufgeben kam nicht in Frage. Unser Ehrgeiz war geweckt auch in diesem Bereich unserer Aufgabenverteilung gerecht zu werden. Wir waren uns einig daran zu wachsen.
So besannen wir uns wieder auf das, was wir wollten. Ich tauschte den Frust und die Langeweile ein, lies los um die Nähe und Führung meines Herrn zu genießen. Meine Hand in seiner. Sein Geruch, seine Wärme ganz nah bei mir und mein Fokus ganz bei ihm. Mein Wille ihm zu folgen, was er aus jedem Tanz machte. Er legte den Gedanken ab „falsche“ Schritte zu machen, denn die gab es beim Tango nicht. Was es jedoch gab, warum ein Tango nicht gelingt, ist die falsche Einstellung zum Tangotanz und deinem Partner.
So tanzten wir immer noch die gleichen Anfängerelemente aber es fühlte sich stimmiger an.
Er fing an die Musik zu fühlen und zu genießen, mich in seinen Armen halten und führen zu können anstatt die Schritte statisch abzulaufen. Ich fing an zu vertrauen, dass er für uns beide ein inniges Tanzerlebnis schaffen würde.
Vom Tango tanzen a la Antonio Banderas sind wir immer noch weit entfernt aber wir haben auch hier gelernt uns in unseren Rollen zu finden. Nicht die Technik beim Tango macht einen guten Tango aus, sondern die Atmosphäre zwischen den Tanzpartnern.